Grundregeln der Pflege von fleischfressenden Pflanzen
Oftmals stößt man auf das Gerücht, dass fleischfressende Pflanzen als botanische Raritäten zu den schwer zu pflegenden Pflanzen gehören, was oft mit kläglichen Erinnerungen an etliche zum Scheitern verurteilte Versuche im Kindesalter verbunden ist, verschiedene Venusfliegenfallen am Fensterbrett großzuziehen. So handelt es sich bei vielen Karnivoren bis heute lediglich oft um „Gag-Geschenke“, deren Potentiale in der Garten- und Wohnraumgestaltung weit unterschätzt werden. Dabei ist die Haltung vieler Karnivoren im Grunde ganz einfach, denn die grundlegenden Regeln der Pflege lassen sich an einer Hand abzählen – versprochen!
1) kalkfreies, nährstoffarmes Gießwasser
Der ausschlaggebende Grund, warum viele fleischfressende Pflanzen wie die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) oder der Sonnentau (Drosera spec.) oft bereits nach kürzester Zeit das Zeitliche segnen, liegt (neben einem zu dunklem Standort) meist im verwendeten Gießwasser. Bis auf einige Fettkräuter (Pinguicula spec.) vertragen Karnivoren nämlich keinerlei Kalk, der im Leitungswasser vieler Regionen Deutschlands leider sehr stark präsent ist. Besser sollte auf Regenwasser oder destilliertes Wasser zurückgegriffen werden. Dieses ist nicht nur frei von Kalk, sondern enthält auch kaum, bzw. keinerlei Nährstoffe, wie es fleischfressende Pflanzen, die auf saure, nährstoffarme Böden angepasst sind, benötigen. Das Substrat sollte stets feucht gehalten werden, einige Arten vertragen auch einen leichten Daueranstau. Auf eine Düngung der Pflanzen kann und sollte also auf jeden Fall verzichtet werden. Etliche für Düngemittel genutzte, endliche Ausgangstoffe wie Kali-Salze und Phosphate werden somit nicht benötigt. Auch eine Fütterung der Pflanzen ist nicht zwingend erforderlich, kann aber wachstumsfördernd wirken. Für Arten mit unbeweglichen Fallen wie die Kannenpflanze (Nepenthes spec.), der Sumpfkrug (Heliamphora spec.) oder Fettkräuter kann man auf handelsübliches Fischfutter in Flockenform zurückgreifen. Hierzu werden die Flocken einfach zu feinem Staub zermahlen und in geringen Mengen in die Fallen gegeben. Bei Arten mit beweglichen Fallen wie die Venusfliegenfalle und einige Sonnentauarten sollte jedoch auf kleineres Lebendfutter zurückgegriffen werden, da die Fallenmechanismen sonst teilweise nur unvollständig ausgelöst werden und die Beute folglich nutzlos verschimmelt.
2) vollsonniger Standort, Luftfeuchtigkeit
Ein Großteil aller Karnivoren benötigt einen vollsonnigen Standort für optimale Fallenbildung, Ausfärbung und/oder Betauung. In der Wohnung sollte vorzugsweise ein Südfenster mit starkem Lichteinfall gewählt werden. Lediglich Fettkräuter können auch an schattigeren Plätzen gehalten werden.
Stehen diese Bedingungen nicht zur Verfügung, könnte für eine langfristige Kultur die Verwendung von speziell auf Pflanzen ausgelegter Zusatzbelichtung nötig sein. Wer sich genauer mit der Thematik der Belichtung beschäftigen will, findet auf unserer Seite auch einen detaillierten Überblick über die Grundlagen der Belichtung von Pflanzen.
Bezüglich der Luftfeuchtigkeit haben nur einige Gattungen derartig erhöhte Ansprüche, dass eine Haltung im Terrarium oder Gewächshaus nötig ist. Venusfliegenfallen, Sonnentau, Fettkräuter, Schlauchpflanzen (Sarracenia spec.) und Kobralilien (Darlingtonia californica) sind nicht für das Terrarium geeignet. Bleibt bei Sonnentauarten die Taubildung aus, handelt es sich meist um Lichtmangel. Venusfliegenfallen, Schlauchpflanzen, Kobralilien und einige Sonnentau- sowie Fettkrautarten gelten als winterhart und sollten bestmöglich außerhalb der Wohnung im Garten oder auf dem Balkon im Moor-Kasten kultiviert werden. Andere Gattungen wie der Zwergkrug (Cephalotus follicularis) oder die Wanzenpflanze (Roridula spec.) benötigen eine frostfreie, jedoch sehr luftige Kultur.
Für eine Terrarienhaltung empfehlen sich vor allem Gattungen wie der Sumpfkrug (Heliamphora spec.), die Kannenpflanze (Nepenthes spec.) oder auch einige Wasserschläuche (Utricularia spec.) mit entsprechender Begleitvegetation und Sphagnum-Torfmoosen als Deko-Element.
3) saures Substrat
Die Grundlage für jedes Karnivoren-Substrat bietet reiner, ungedüngter Weißtorf (Hochmoortorf) mit dem Zersetzungsgrad H2-H5. Je nach Art und Züchter unterscheiden sich die Substrate leicht voneinander. Oftmals werden jedoch Mischungen aus Torf, Perlite und kalkfreiem Quarz-Sand (im Verhältnis: 2:1:1) verwendet.
Bei der Anmischung und Bepflanzung sollte das Substrat gleichmäßig durchfeuchtet, aber keinesfalls durchnässt sein. Gärtner sprechen hierbei von „kulturfeuchtem Substrat“ – Bildet das Substrat beim Vermischen Klumpen ist es bereits zu feucht. Um eine ausreichende Lockerheit zu gewährleisten, werden die Gefäße beim Befüllen auch stets nur leicht angeklopft und die Substratoberfläche niemals angedrückt! Da es sich bei den meisten Arten um Tiefwurzler handelt, schadet es auch nicht recht tiefe Töpfe zu verwenden, allerdings sollte man die Topfgröße verhältnismäßig zur Größe der Pflanze wählen. Übermäßig große Töpfe führen ebenso wie enge Töpfe schnell zu einer ungünstigen und folglich oft kritischen Handhabung der Wasserversorgung.
Um die Substratoberfläche vor der erwärmenden Wirkung der Einstrahlung zu schützen und den Zierwert etwas zu steigern, wird die Topfoberfläche rund um die Pflanzen oftmals mit Torfmoosen (Sphagnum spec.) bepflanzt. Vor allem bei Kannenpflanzen nutzt man Sphagnum auch zur Bewurzelung von Stecklingen, da es die Fähigkeit aufweist, bei relativ hoher Luftdurchlässigkeit ausreichend stark Wasser zu speichern. Auch bei einigen Orchideen-Züchtern ist getrocknetes Sphagnum daher ein beliebtes Medium. Lebende Torfmoose wirken während des Wachstums darüber hinaus versauernd auf ihre Umgebung – ideal für Karnivoren und viele andere Pflanzen, die saures Milieu bevorzugen!
4) Temperatur und Winterruhe
Ein weiterer Punkt in der Haltung von Karnivoren stellt die Temperaturführung dar. Während einige tropische Arten, ganzjährig und ganztägig warm kultiviert werden müssen, gehen andere Gattungen und Arten in den Wintermonaten eine Ruhephase ein, in der entweder das Wachstum stark stagniert oder Überdauerungsorgane in Form von Hibernakula gebildet werden, die keine karnivore Funktion erfüllen. Vor allem bei Fettkräutern ist dieser Wandel sehr spannend. Die zahlreichen, quirligen Blüten erscheinen hier, sofern es sich nicht um ganzjährig blühende Arten handelt, meist direkt aus der Winterrosette. Auch Zwergkrüge, die wie Fettkräuter bei etwa 5°C überwintert werden sollten, bilden in den kühleren Monaten nicht karnivore Blätter aus.
Während Schlauchpflanzen in milderen Monaten noch blattähnliche Gebilde, sogenannte Phyllodien bilden, überdauern sie wie Venusfliegenfallen in kälteren Wintermonaten in dicken Rhizomen. Beide Gattungen sind, auch wenn es an dieser Stelle erst einmal überraschen mag, voll winterhart! Betrachtet man das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Gattungen im Südosten der USA mit den zugehörigen Klimadiagrammen, erscheint diese Tatsache jedoch gar nicht mehr so abwegig.
Eine Besonderheit stellt die Kultur von Kannenpflanzen dar, die man je nach Vorkommen in Hochland- und Tieflandarten unterscheidet. Während Tieflandarten ganzjährig-ganztägig warm und feucht gehalten werden können, benötigen aus Hochlandregionen stammende Nepenthesarten erzwingenderweise Nachtabsenkungen der Temperatur im Bereich von 10-15°C.
Auch viele Sumpfkrugarten benötigen für eine erfolgreiche Kultur diese täglichen Temperaturschwankungen. Die in vielen Gartencentern und Baumärkten erhältlichen Hybriden sind in dieser Hinsicht jedoch sehr tolerant und können auch ohne diese Temperaturabsenkung erfolgreich kultiviert werden.
Zusammenfassung
Wie wir sehen gestaltet sich die Pflege „fleischfressender“ Pflanzen mit ein wenig Recherche gar nicht so kompliziert. Hauptsächlich sollte darauf geachtet werden, dass Karnivoren an möglichst vollsonnigen Standorten kultiviert werden und die Bewässerung ausschließlich mit kalkfreiem, nährstoffarmen Wasser (wie Regenwasser, destilliertem Wasser oder Osmose-Wasser) erfolgt. Während Venusfliegenfallen, Kobralilien und Schlauchpflanzen als winterharte Gattungen einen besonderen Hingucker für das Moorbeet bilden, eignen sich Kannenpflanzen, Sumpfkrüge oder Wasserschläuche vor allem für die Terrarienkultur. Speziellere Kannenpflanzen- und Sumpfkrugarten benötigen jedoch eine nächtliche Absenkung der Temperatur von etwa 10°C.
Muss die Pflanze einmal umgetopft werden, eignen sich Mischungen aus ungedüngtem Weißtorf mit Perlite und Sand (im Verhältnis 2:1:1).